Bischof Dietrich

Epitaph von Bischof Dietrich von Bülow im Fürstenwalder Dom

Bülowsches Familienblatt Nr. 62, Jahrgang 1998 / 99 Seiten 36-37

Günter Kuhn in: „Fürstenwalder Lesebuch“, 1997 :Vom Städtchen zur Bischofsresidenz.
Der bedeutendste Fürstenwalder Bischof: Dietrich von Bülow  (IX-Generation Wedendorf)

Bischofsresidenz und Domstadt. So bedeutend waren im Mittelalter aber nur wenige Städte. Fürstenwalde gehörte zu ihnen. Noch heute zeugen Dome von einstiger Größe und Bedeutung – auch in Fürstenwalde. Zu dem exklusiven Kreis brandenburgischer Domstädte gehören neben Fürstenwalde nur noch die Städte Brandenburg und Havelberg.

Fürstenwalde, schon 1285 als Stadt genannt, wurde genau 100 Jahre später durch den Umzug der Bischöfe von Lebus Sitz des Domkapitels. Insgesamt 16 Bischöfe residierten hier. Von einigen dieser Bischöfe ist kaum mehr bekannt als ihr Name, andere machten Geschichte, und sei es wie bei Johann IV. (1397 bis 1418), indem er an der Verurteilung des tschechischen Reformators Jan Jus zum Ketzertod im Jahre 1415 mitwirkte.
Der wohl bedeutendste Bischof der Diözese war Dietrich von Bülow, der von 1460 bis 1523 lebte. Ihm wurde ein künstlerisch ganz herausragender Gedenkstein, ein Epitaph, gewidmet. Dieses Epitaph im Fürstenwalder Dom ist ein Werk des Künstlers, der auch das bedeutendste Sakramentenhaus schuf. Grabmäler für andere Inhaber des Lebuser/Fürstenwalder Bischofsthrones sind zum Beispiel im Breslauer Dom oder in Dannenwalde bei Gransee zu finden.
Geboren wurde Dietrich im Jahre 1460 auf dem väterlichen Gut in Wehningen, damals im Fürstentum Sachsen-Lauenburg gelegen, heute zum Kreis Hagenow im Land Mecklenburg-Vorpommern gehörig. Er schloss sein Studium mit der Promotion zum Doktor beider Rechte, des geistlichen und weltlichen Rechts, an der italienischen Universität Bologna ab. Offenbar hat von Bülow nie Theologie im engeren Sinne studiert, aber Rechtswissenschaft und Theologie durchdrangen einander so, dass er schon in Studienzeiten als Geistlicher geführt wurde. Mit 22 Jahren wurde von Bülow als Domherr von Lübeck genannt, um 1487/88 wurde er kurfürstlich-brandenburgischer Rat. Er war offenbar mit dem Kurfürsten Johann (mit Beinamen Cicero, 1486 bis 1499 regierend) gut bekannt und von diesem über lange Jahre hinweg mit den unterschiedlichsten Aufgaben betraut. Vermutlich wegen der in Gang gesetzten Vorbereitungen zur Errichtung einer Universität in Frankfurt/Oder wurde er für so wichtig in der ostbrandenburgischen Region angesehen, dass der Kurfürst entgegen einer vom Domkapitel bereits getroffenen Regelung die Wahl Dietrich von Bülows zum Bischof am 20. Oktober 1490 in Fürstenwalde durchsetzte.
Im Zuge der Verfestigung der brandenburgischen Landeshoheit war das Bistum Lebus im Jahre 1424 aus dem Verband der polnischen Kirchenprovinz Gnesen (Gniezno) ausgegliedert und dem Erzbistum Magdeburg unterstellt worden. Allerdings galten die Lebuser / Fürstenwalder Bischöfe weiterhin als polnischer Reichsstand, was bedeutete, dass von Bülow bei seiner Wahl auch Sitz und Stimme im polnischen Kronrat beanspruchen konnte. Diese Rechtsstellung endete erst 1518, als von Bülow die letzten polnischen und schlesischen Besitzungen des Bistums verkaufte und, nachdem er die Zustimmung der böhmischen Krone als Lehnsherrschaft der Markgrafschaft Niederlausitz eingeholt hatte, die nahegelegenen Herrschaft Beeskow/Storkow kaufte. Für diesen Kauf wurde unter anderem das bei den Verkäufen in Polen erzielte Geld verwendet. Gelegentlich weilte der Bischof auch auf den neu erworbenen Burgen in Storkow und Beeskow. Auf der Burg Beeskow ist bis heute noch als mittelalterliche Wandmalerei das Bülowsche Wappen zu sehen.
Offenbar war von Bülow an der wirtschaftlichen Konsolidierung seines Bistums sehr interessiert. Deshalb teilte er den Bistumsbesitz auf drei Ämter auf: Fürstenwalde, Beeskow und Lebus. Um 1520 meldeten diese Ämter als Jahreserträge 6.000 Gulden in Fürstenwalde, 7.000 in Beeskow einschließlich Storkow und 5.500 in Lebus, wozu auch die Besitzungen östlich der Oder in den sogenannten Ländern Sternberg und Küstrin gehörten. Dass dieses Besitztum trotz seiner beschränkten Gebietsausdehnung  damals zu Recht als das reichste brandenburgische Bistum galt, macht ein Vergleich deutlich: Das Bistum Havelberg soll insgesamt 7.000 Gulden erwirtschaftet haben, Brandenburg gar nur 4.000 Gulden. Von Bülow förderte die Schafzucht auf den sechs bischöflichen Gütern. So konnten rund 3.000 Schafe im Jahr geschlachtet werden. Wichtig war dem Bischof zugleich ein wirtschaftlich abgesicherter Bauernstand. Einige Male soll er Güter aufgekauft und in frei anzukaufende Bauernwirtschaften umgewandelt haben.
Auch um theologische und pastorale Solidität war der als hochgebildeter Humanist gerühmte Bischof bemüht. Er verlangte von den Geistlichen Universitätsbildung und erteilte Pfarrern Urlaub zur, wie wir heute sagen würden, Weiterbildung. Dies erfolgte vor allem auf der von ihm als Kanzler beaufsichtigten Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Für die Ordnung von Gottesdiensten ließ Dietrich von Bülow auf Kosten des Bistums Mess- und Gebetbücher in Frankfurt drucken. Bis 1740 hing in der Sakristei der Frankfurter Marienkirche noch eine schriftliche Anweisung von Bülows bezüglich des Gebrauchs des Messbuches.  Auch auf die Ausgestaltung der humanistischen und musischen  Studienmöglichkeiten an der Oder-Universität achtete er. Kein Wunder, dass Ulrich von Hutten, der von 1506 bis 1508 selbst an der Viadrina studiert hatte, einige Jahre später in einem seiner Gedichte lobte: „Nimm, o du hohes Haupt des lebusischen Tempels, das Lied an …, du als billiger Richter schützest gegen den Hass des ungebildeten Plebs“.

1517 stiftete von Bülow seiner Fürstenwalder Kathedralkirche das großartige Sakramentenhaus. Nach neueren Forschungen stammt das Kunstwerk von Franz Maidburg aus Schneeberg im Erzgebirge, damals im Gebiet des Bistums Meißen gelegen. Vielleicht spielt auch der schon in Gang gesetzte Ankauf der ebenfalls im Meißener Gebiet gelegenen Herrschaft Beeskow/Storkow mit hinein. Auch das Stiftungsjahr könnte voller Bedeutung  sein. Gerade in jenem Jahr brachte der Wittenberger Mönchsprofessor Dr. Martin Luther neue Gedanken über Kirche und Sakrament unter die Leute. Mit dem Sakramentenhaus  dokumentierte Bischof Dietrich von Bülow, wie wichtig ihm die bisherige Sakramentsfrömmigkeit war. Er zeigte dies dem Volk mit dem vergoldeten Tabernakelgeschoss und mit der Darstellung einer Vielzahl von Heiligen. So verwundert es nicht, dass erst 1563, also 17 Jahre nach Martin Luthers Tod, die erst evangelische Predigt im Fürstenwalder Dom gehalten wurde.
Am 1. Oktober 1523 starb Dietrich von Bülow „in der mittleren Burg“ auf dem damals noch vorhandenen und bewohnbaren Lebuser Bischofsschloss. Beigesetzt wurde er in der Südkapelle des Fürstenwalder Domes in Anwesenheit der kurfürstlichen Delegierten, der Universitätsvertreter und des Domkapitels. Die Grabplatte, seit langem neben dem Epitaph im Chorraum stehend, trägt folgende aus dem Lateinischen übersetzten Verse:

Es lebt der Mensch, damit er sterben möge,
und stirbt, als wenn er erst ins rechte Leben zöge.
Welt, Reichtum, Ehr´ und Macht vergehen mit der Zeit,
doch was man vorgetan, das bleibt bis in Ewigkeit
O Leser lerne doch die Sündenwege meiden,
damit du seliglich von dannen könntest scheiden.

Noch beeindruckender ist das 1524 vom Domkapitel für den Bischof bestimmte Epitaph, das uns noch heute in seinen Bann zieht. So schreibt Hans Teichmann in seiner Bistumsgeschichte „Von Lebus nach Fürstenwalde“, erschienen 1991 in Leipzig, „Schöner als in diesem Bilde voll Glaube und Hoffnung lässt sich wohl kaum der Quellgrund dieses so rastlosen Lebens und Schaffens des großen Bischofs Dietrich von Bülow ausdrücken“.

Nachtrag von Bernd v.B. (X-606): Als ich 1993 in Lebus einen jungen Pfarrer auf Bischof Dietrich ansprach, war ich erstaunt, wie gut er informiert war und wie lebendig dessen Andenken heute noch ist.