Friedrich Wilhelm Graf Bülow v. Dennewitz (X-182)

Bülowsches Familienblatt Nr.54, 1982/83

Ein Vortrag  von Joachim  Albrecht  Graf  Bülow v. Dennewitz (X-598) für den 83. Familientag 1982 in Goslar

Um die Materie  näher zu beleuchten, stehen zahlreiche Schriften und Unterlagen zur Verfügung,  die allerdings nur antiquarisch zu erwerben  oder in einschlägigen  Bibliotheken zugängig sind. Über das Leben  des Generals  sei hier nur die „Biographien verschiedener preußischer Generäle“  von Karl August Varnhagen von Ense genannt. Aus militärischer Sicht in erster Linie die Abhandlungen der Kriegswissenschaftlichen Abteilung  des Großen Generalstabes und die „Geschichte der Nordarmee im Jahre 1813“, von Barthold von Quistorp und Ernst Wiehr (1894).

Das Geschlecht  Bülow kann  sich rühmen,  eines der erfolgreichsten Geschlechter  des Reiches gewesen zu sein. Es zählte in seiner weiten  Verzweigung  vom  gemeinsamen  Stammvater Gottfried, der zurzeit Friedrich II. von Hohenstaufen lebte,  viele tausende von Mitgliedern,  darunter viele von überdurchschnittlicher  Begabung.  So  war das Geschlecht  Bülow imstande, in den letzten  sieben Jahrhunderten deutscher  Geschichte  bei allen großen  politischen Entscheidungen mitzuwirken und an allen Kulturepochen maßgebenden Anteil zu nehmen.  Feldherrn und Staatsmänner, Künstler und  Wirtschaftsorganisatoren brachte  es in gleicher  Weise hervor.

Einer  der bedeutendsten von ihnen  war der Feldherr  der Befreiungskriege Friedrich  Wilhelm Graf  Bülow v. Dennewitz,  der sich bekanntlich nicht  nur  durch  seine soldatische  Tüchtigkeit, sondern auch  durch  seine künstlerischen Fähigkeiten Anerkennung zu verschaffen  wusste.

Sein Vater Freiherr  Friedrich Ulrich Arvegh v.B. (X-178)  war ein Sonderling, Nationalist und  Herold  der  Aufklärung. Er  trug  den  schwedischen Namen  Arvegh,  da sein Vater Friedrich (X-175) Gesandter am schwedischen Hof war und der König und die Königin von Schweden seine Taufpaten waren. Er wurde auch selbst unter Friedrich dem Großen Gesandter  in Stockholm. Zog sich dann aber wegen Zerwürfnissen mit Friedrich II.  auf sein Gut Falkenberg in der Altmark zurück.  Dort  trieb er mancherlei  Absonderlichkeiten. Seiner Abkehr  von der ihn  traditionell umgebenden Welt entspricht auch seine  Verbindung  mit der  benachbarten Kantors Tochter Anna Dorothea Sophie  Schultze,  die ihm fünf Söhne schenkte.

Der dritte  Sohn  Friedrich Wilhelm,  von dem  hier die Rede sein soll, wurde am 16. Februar  1755 geboren.  Jedoch erst sechs Jahre später,  am 21.12.1761 wurde die Ehestiftung aufgesetzt  und erst am 9.12.1767 legitimierte  Friedrich der Große  die drei unehelich geborenen  Söhne,  zu denen auch unser Friedrich Wilhelm zählte.

Ich betone diese Tatsache deswegen, weil sie in allen Biografien und Familienchroniken bewusst durch  Umschreibungen übergangen wird.  Ich betone  dies einmal wegen der genealogischen  Korrektheit,  aber auch  wegen der Komplikation, welche eine solche Tatsache zur damaligen  Zeit mit sich brachte.  Wir wissen aus den Randbemerkungen, dass Friedrich  der Große  Anträge  auf Legitimation  von unehelichen  Kindern seines Adels aus Verbindungen mit bürgerlichen  Damen  meist mit sehr derben  und verletzenden Worten abzulehnen pflegte.  In einem solchen Fall hätte Friedrich Wilhelm  zu damaliger  Zeit niemals seine militärische  Laufbahn einschlagen  können  und es hätte  keinen Bülow v. Dennewitz  gegeben. Zwischen 1670 und 1770 kamen solche Verbindungen verhältnismäßig selten  vor und sie bereiteten  insbesondere den aus ihnen Entsprossenen manche  gesellschaftliche  Schwierigkeiten. Jedoch  die Jugend  des Friedrich  Wilhelm verlief harmonisch auf dem  Familiengut   Falkenberg südöstlich   von  Seehausen  in  der Elbniederung, die Altmärkische Wische genannt  wird. Er und seine Brüder  genossen eine sorgfältige, allerdings durch  Anordnung des Vaters, sehr freizügige Erziehung, entgegen den Gewohnheiten der Zeit. Schließlich  1768 im 14.  Lebensjahr tritt  Friedrich  Wilhelm  als Fahnenjunker in das in Berlin stehende  Infanterieregiment No. 13 unter Friedrich Wilhelm von Wylich und Lottum ein. Es zählt  zu den altpreußischen Elite Regimentern und  hatte sich im 7-jährigen  Krieg auch  unter  dem  Namen  ltzenplitz ausgezeichnet.  Bülow erfährt die harten  und beschwerlichen  Jahre  des eintönigen   preußischen  Gamaschendienstes und  durchläuft das normale  langwierige Avancement. Jedoch  die monotone Gleichmäßigkeit  des alltäglichen  Kommissdienstes befriedigen  Friedrich Wilhelm nicht.  Er betätigt  sich auf dem Gebiet der Wissenschaften,  wie Mathematik, Geschichte,  Geografie und  den Militärwissenschaften. Eine Tatsache, die bei dem damaligen  Bildungsstand im Offizierskorps eine Ausnahme war. Auf dieser Grundlage baut  er weiter auf. Aber  auch  auf  dem Gebiet  des Musizierens  und  Komponierens betätigt  sich  Bülow.  Ein  bekannter Musikprofessor seiner  Zeit sagte gelegentlich:  „Wäre  Bülow bei der Musik geblieben,  dann hätte  aus ihm auch etwas werden  können.“

Den Feldzug 1792/93 Österreichs und Preußens  gegen Frankreich machte  er als Hauptmann mit. Hier und besonders  bei der Belagerung von Mainz gibt Bülow schon vielfache Beweise seiner persönlichen  Tapferkeit und  hohen  militärischen   Befähigung  und wird mit dem Orden  Pour le Mérite ausgezeichnet. Man wird auf Bülow aufmerksam, nicht  nur  wegen seines Charakters und seiner  militärischen   Begabung,  sondern   auch  wegen seiner  musischen Neigungen,  und so wird er zum militärischen  Begleiter des Preußen Prinzen Louis Ferdinand ausersehen, um durch seinen Einfluss  das  leidenschaftliche Temperament  des Prinzen  zu zügeln.

Beide finden  sich in ihren Interessen  für die Musik,  aber auch in ihren Ansichten  über den reformbedürftigen Zustand  der alten verzopften preußischen  Armee.  Allerdings  gehen auch ihrer  beiden Temperamente zeitweilig mit ihnen durch.  Bei einer gelegentlichen Meinungsverschiedenheit fuchtelte  der Prinz  Bülowen mit der Faust  unter  der Nase herum.  »Prinz,« ruft dieser,  »Unterstehe Sie sich das noch einmal, so greife ich zum Degen«.  Der Prinz lässt  aber  nicht  nach  und  so zieht  Bülow den  Degen gegen den Prinzen.  Der stürmt  aus dem Zimmer und nach wenigen Minuten erhält  Bülow die Forderung. Aber  noch ehe er zu antworten vermag,  stürzt  der Prinz  wieder herein,  fällt  Bülow weinend an die Brust und bittet um Verzeihung.  Zwar ist die Mutter des Prinzen, die  Prinzess Ferdinand (Prinzessin Anna Elisabeth Luise von Brandenburg-Schwedt  – Schwägerin  Friedrich des  Großen)  erfreut,  dass  Bülow als starke  Stütze  ihrem  Sohn  zur  Seite steht, aber  später  äußerte  die  in  ihrem  Standesbewusstsein gekränkte königliche  Prinzessin  zu Bülows  Gemahlin:  »Liebe,  was haben Sie für  einen  jähzornigen  Mann,  wenn ich es gekonnt, so hätte ich ihm damals  gerne eine Ohrfeige  gegeben.«

Trotzdem verband den Prinzen und Bülow eine innige Freundschaft,  die ihm auch nach Louis Ferdinands frühem  Heldentode dessen königliche  Familie weiter bewahrt  hat.

Nach dem Koalitionskrieg gegen Frankreich erhält Bülow als Major ein neu zu errichtendes Füsilier Bataillon in Soldau (Ostpreußen). Er widmet sich dieser Aufgabe voll und ganz. Es kommt ihm nicht auf den äußerlichen Drill des alten  preußischen Exerzierreglements an, sondern die neuen Zeichen der Zeit, wie sie sich von Frankreich kommend  auch  auf  militärischem Gebiet  ankündigen,  erkennend, macht er aus seinem Bataillon eine Mustertruppe in der bis dahin in Preußen noch wenig bekannten und angewandten Fechtart. Im Gegensatz zu der stark überalterten Generalität Preußens hat er erkannt,  dass die Zeit der friderizianischen Lineartaktik vorbei ist und abgelöst wird durch die Kolonnentaktik mit aufgelösten Schützenverbänden, für die das genaue Treffen beim Schießen wichtiger ist, als das bis dahin bevorzugte Salvenfeuer. Gegen Misshandlungen der Mannschaften geht Bülow mit großer Strenge vor.

1805 wird Bülow Oberstleutnant  und soll ein Regiment übernehmen. Da er sich aber sehr ungern von seinem Bataillon trennt und wohl auch weil er in einem Linie Regiment nicht die Möglichkeit hat, seine Auffassung der neuen Gefechtsausbildung durchzusetzen, bittet er den König – inzwischen Friedrich Wilhelm III. – persönlich, sein Bataillon behalten zu dürfen. »Behalten Sie Ihr Bataillon,  wenn es Ihnen so am Herzen liegt«, spricht der König, und seine Männer,  die das Zwiegespräch gehört haben, brechen in lauten Jubel aus.

In der Stille Soldaus  betreibt er mit Fleiß militärische Studien, widmet sich der Musik und auch mit Eifer der Jagd. In diese Zeit fällt auch 1802 seine Vermählung mit Marianne Auguste, Tochter des Obersten v. Auer in Königsberg. Schmerzlich empfand er die unglückliche Schicksalswende seines Bruders Heinrich Dietrich – über den an anderer Stelle noch eingehend zu berichten ist -,  den Verlust zweier Kinder, schmerzlich das Zurückbleiben seines Bataillons in Preußen, als 1806 der Kampf mit Napoleon aufgenommen wurde und am tiefsten dann das Unglück des Vaterlandes nach Jena und Auerstedt.

Unter dem Corps L’Estocq  wies er den Versuch General Jean Lannes, bei Thorn die Weichsel zu überschreiten, ab, wurde dann aber im Februar 1807 bei Waltersdorf verwundet. Nach dem Fall Danzigs wurde er als Brigadier den Blücherschen Truppen in Schwedisch ­ Pommern zugeteilt (im Familienarchiv befindet sich ein Brief aus dieser Zeit). Die beabsichtigte Operation wurde durch den im Juli 1807 abgeschlossenen Tilsiter Frieden zunichte gemacht. In diese Zeit fiel auch der Tod seiner geliebten Frau.

Im Frühling 1808 vermählt sich Bülow 53jährig zum zweiten Male und zwar mit Pauline v. Auer, der kaum 18jährigen Schwester seiner ersten Gemahlin.

Gleich darauf wurde Bülow als Oberst mit einer heiklen Aufgabe betraut.  Er wurde als militärischer Berater, im Notfall auch als Stellvertreter,  auf Anordnung  des Königs, Fürst Gebhard Leberecht von Blücher in Stargard in Pommern zur Seite gestellt. Dieser Auftrag  neben dem hypochondrischen Blücher war nicht leicht und es ist häufig darüber geurteilt worden. Aber lassen wir eine Frau  darüber  in ihren Erinnerungen sprechen, die beide, Blücher und Bülow als junges Mädchen erlebt hat,  meine Ururgroßmutter Friderice v. Auer geb. Kleist: „Der  alte  Held  Blücher  war  ein  schöner  Greis  mit  starkem Schnurrbart  und feurigen blauen Augen, die mir aber einen unheimlichen Ausdruck hatten. Er war noch nicht völlig wiederhergestellt von seiner Krankheit, mit Geistesabwesenheiten, während die eine fixe Idee ihn beängstigte, dass er einen Elefanten in sich trage … Die beiden Häuser Blücher und Bülow blieben sich fremd. Die Elemente in denselben waren zu verschieden. Die Blücherschen Damen leicht und weltlich gesinnt, die junge Bülow ernst und concret in ihrem ganzen Wesen. Die beiden Generale standen auf sehr verschiedener Bildungsstufe. Blücher saß die halben Nächte und den größten Teil des Tages im Spielhaus,  während Bülow komponierte und musikalische Talente um sich versammelte. So führte er zwei von sich komponierte Psalmen den 51. und 100. in der schönen Marienkirche in Stargard auf ……“, soweit die Ururgroßmutter.

Bülow, inzwischen zum General avanciert, hatte jedenfalls kein ungetrübtes Verhältnis zu dem jähzornigen Blücher, der ihm einmal die heftigen Worte entgegenschleuderte: »Herr General, Sie sind gut zum Befehlen, aber nicht zum Gehorchen.« Doch in einem Punkt  sind sich beide einig, trotz verschiedener politischer und militärischer Ansichten, nämlich in ihrer Vaterlandsliebe und in ihrem Trachten, Preußen wieder aus seinem tiefen Fall emporzuheben.

Dann wird Bülow unter Yorcks Kommando nach Westpreußen gestellt. Yorck schreibt an Scharnhorst:  „Ich lasse meine Duellpistolen in Stand setzen, denn ich bin überzeugt Bülow und ich sind keine acht Tage zusammen, ohne uns bei den Haaren zu haben.“  Scharnhorst  antwortet  ihm: „Bülow ist ein braver und gescheuter Mann, aber er ist ein Bülow. Alle Bülows sind eigen, für ihre Meinung eingenommen.“ Jedoch  bald löst sich diese unliebsame Personalfrage  dadurch, dass Yorck Oberbefehlshaber aller Truppen in der Provinz Preußen wird und nach Königsberg abgeht und Bülow erhält seinen Posten in Westpreußen.

Diese kurzen Beurteilungen der Beziehungen zwischen Blücher, Bülow und Yorck sind entscheidend, um zu wissen, dass Bülow im nachfolgenden Befreiungskampf kein Korps in der schlesischen Armee, der eigentlichen preußischen, erhält,  sondern ein sehr viel schwierigeres Kommando unter dem Oberbefehlshaber der Nordarmee Jean-Baptiste Jules Bernadotte (Karl Johann Kronprinz von Schweden).

Da wir in Deutschland bis 1945 über diese Zeit eine mehr preußisch betonte Geschichtsschreibung hatten, wie sie im wilhelminischen Deutschland gepflegt wurde, bekommt Bülow neben Blücher, Gneisenau und Yorck nicht immer den Stellenwert, der ihm auf Grund seiner Leistung zugestanden hätte.  Denn er war außer  Blücher der einzige preußische Feldherr, der selbstständig operierte und außer Blücher der einzige Feldherr der beide Feldzüge nicht nur an führender Stelle mit gemacht,  sondern  auch  wesentlich zur Entscheidung  beigetragen hat.  Für  diese Stellenwertgebung zeichnet Gneisenau, als Chef des Stabes der schlesischen Armee besonders verantwortlich. Bei allem Respekt vor seinen Verdiensten, so verstand doch er es die Leistungen seiner Armee im vaterländischen Geschichtsbewusstsein an erste Stelle zu setzen.

Als Yorck mit der »Großen Armee« Napoleons mit einem preußischen Kontingent 1812 nach Russland  zieht, erhält  Bülow das Oberkommando  über Ost- und Westpreußen und geht nach Königsberg ab. Dort trifft er auch am 12. Juni 1812 persönlich mit Napoleon zusammen, der ihm den Ehrenplatz an der Mittagstafel neben sich anweist.

Bei dem katastrophalen Rückzug der Grande Armee aus Russland versteht es Bülow mit sehr viel Geschick und Tatkraft, unter den Augen der französischen Behörden in aller Stille Mannschaften und Material zu sammeln und dem König für den bevorstehenden Kampf gegen Frankreich  10.000 Mann  best geschulter Truppen zur Verfügung zu halten. Ende Februar 1813 erhält er das Kommando über das ost- und westpreußische Reservekorps und zieht, zum Generalleutnant befördert, am 31. März 1813 in Berlin ein.

»Die Preußen  sind  keine Nation,  es fehlt  ihnen  der nationale Stolz«, sagt Napoleon verächtlich, und Goethe spricht: »Rüttelt nur an euren Ketten, der Mann ist euch zu groß«. Doch beide irren sich. Das Volk steht auf, der Sturm bricht los. Es steht auf, gegen den rücksichtslosen Unterdrücker  und Aggressoren.

In den nun folgenden Befreiungskriegen entfaltet Bülow diejenigen Talente,  welche ihm unter den großen Feldherrn des Vaterlandes einen würdigen Platz anweisen. In seiner Zeit ist er der einzige, der als General mehrere Schlachten gewinnt und keine Niederlage erleidet. Selbst zweifelhafte Unternehmungen beginnt er mit Kühnheit, aber stets nach sorglicher Überlegung. Je größer die Verwirrung im Gefecht, desto ruhiger und sicherer erscheint er, die Gefahr  klar erkennend.  Ein tollkühner Draufgänger ist er nicht, sondern von aufmerksamer Vorsicht und ruhiger Besonnenheit. Die Kriegswissenschaften kann man erlernen, aber die Kriegskunst zu beherrschen, erfordert eine besondere Befähigung.

Im  Dienstverhältnis  ist er ein strenger  Vorgesetzter,  trotzdem wohlwollend zu seinen Untergebenen und von großem Gerechtigkeitssinn gegen jedermann. Er ist stets besorgt um das Wohl des einfachen Mannes und besonders um das Schicksal der Verwundeten. Im Feindesland hält er strikte Manneszucht und ahndet Ausschreitungen gegen die Bevölkerung mit aller Strenge. Bülows Gemüt ist heiter und freundlich, den schönen Dingen des Lebens zugetan. Aber er ist auch der heftigsten Leidenschaften fähig und sein aufbrausender Zorn kann furchtbar sein. Genauso schnell ist er auch dann zu besänftigen und kein Groll bleibt zurück oder verleitet ihn gar zu Ungerechtigkeiten.

Aus den Briefen meiner Urgroßmutter Kleist geht hervor, welche Wertschätzungen man diesem musischen General schon zu Lebzeiten aus allen Bevölkerungsschichten entgegenbrachte.

Im März 1813 beginnt der Kampf um Deutschlands Freiheit. Die Franzosen sammeln sich bei Magdeburg. Am 5. April nahm die Kavallerie seines Corps an dem siegreichen Treffen bei Möckern teil, am 2. Mai stürmte Bülow Halle und als Marschall Charles Nicolas Oudinot Berlin bedrohte,  schützte  er die Hauptstadt   zum ersten  Male durch den Sieg bei Luckau.  Mit einer Minderzahl von  Truppen, unter Mangel und Missverhältnissen aller Art hatte Bülow seine Aufgabe glänzend erfüllt und beklagte bitter, sich durch den im Juni abgeschlossenen Waffenstillstand die Aussicht fernerer Erfolge plötzlich genommen zu sehen.

Aber  nach  dem Ablauf  des Waffenstillstands  im August  war nicht nur Russland, sondern nun auch Österreich der Kampfgefährte Preußens. Die Verbündeten teilten ihre Truppen in drei Armeen. Die österreichische unter Fürst Schwarzenberg in Böhmen, die schlesische Armee – Preußen und Russen – unter Blücher und schließlich die Nordarmee- Preußen, Russen und Schweden – unter dem Oberbefehl des schwedischen Kronprinzen und früheren napoleonischen Generals Bernadotte, vor Berlin. Einen einheitlichen Oberbefehl unter den Verbündeten gab es nicht, sowie es überhaupt  nichts Einheitliches gab, außer dem gemeinsamen Willen, Europa von der Unterdrückung des Korsen zu befreien.

Bülow gehörte mit seinem III. preußischen Korps zur Nordarmee und hatte 5 Divisionen mit 42 Bataillonen, 37 Schwadronen und 74 Geschützen, zusammen ca. 40 000 Mann. Also Kommandeur über eine größere Truppenstärke,  als sie Friedrich der Große in seinen Schlachten meist zur Verfügung hatte. Bülows preußischer Waffengefährte in der Nordarmee war Bogislav Friedrich Emanuel von Tauentzien mit dem sehr schwachen, meist aus Landwehr bestehenden IV. preußischen Corps.

Napoleon war die Stellung der Verbündeten bekannt.  Inmitten seiner Gegner stehend, sah er seine Lage den zersplitterten Streitkräften  der  Verbündeten  gegenüber als günstig an.  Er  hoffte durch Operieren auf der inneren Linie an allen entscheidenden Punkten mit überlegenen Kräften auftreten zu können. Er rechnete mit der Unfähigkeit der feindlichen Heeresleitung und hielt von der Kampfkraft,  besonders der preußischen Landwehr nicht viel. Tatsächlich ließ manchen allein sein Ruf als Feldherr erzittern.

Napoleon war von der Überlegenheit der Offensive überzeugt und versammelte  die  Hauptmacht   seiner  Truppen  im  sächsischen Raum,  um je nach Situation  gegen die schlesische oder böhmische Armee mit überlegenen Kräften vorzugehen. Zusätzlich wurde die Armee de Berlin unter Marschall Oudinot geschaffen, um gegen die Nordarmee die Offensive zu eröffnen, und gestützt auf die zahlreichen in französischem Besitz befindlichen Festungen in den weiten preußischen Raum, Richtung Oder vorzustoßen.

Um zu begreifen, wie rücksichtlos Napoleon  bereit war, gegen seine Feinde vorzugehen, charakterisiert  ein Gespräch vom 26. Juni  1813 in  Dresden  mit  dem Österreichischen Staatskanzler Fürst Metternich: „Ein Mann wie ich schert sich wenig um das Leben einer Million Menschen. Die Franzosen können sich nicht über mich beklagen, um sie zu schonen, habe ich die Deutschen und  Polen  geopfert.  Ich  habe  in  dem  Feldzug  von  Moskau 300.000 Mann verloren, es waren nicht mehr als 30.000 Franzosen darunter.  Ich habe mich  getäuscht und empfinde heute die ganze Größe  meines Irrtums.  Es kann  mir den Thron  kosten, aber ich werde die Welt unter seinen Trümmern begraben ……“

Napoleon wusste, dass der Kronprinz von Schweden, sein ehemaliger Marschall Bernadotte, ein guter Unterfeldherr war, aber seine Begabung als selbstständiger Feldherr erhebliche Mängel aufwies. Er war in seiner Natur von zögernder Entschlusskraft, die schließlich auf Grund  der strategischen Verhältnisse bis an die Grenzen der absoluten Untätigkeit führen konnte. Die Lage Bernadottes indessen war schwierig. Denn seine politische Situation in Schweden war keinesfalls gefestigt und eine Niederlage gegen Napoleon hätte für ihn den politischen Ruin in seinen schwedischen Landen  bedeuten können.  Der Rückzugsweg nach Schwedisch-Pommern musste daher  offen  bleiben, zumal der  Kronprinz  von  der  Schlagkraft  der  preußischen  Truppen nicht überzeugt war und den Russen aus schwedischer Sicht naturgemäß misstraute.

Wenn ich hier in großen Zügen die allgemeine Lage geschildert habe, so ist dies insoweit wichtig, um das gespannte Verhältnis, welches Bülow und der Kronprinz von Anfang an hatten, richtig einschätzen und den weiteren Verlauf der Kampfhandlungen verfolgen zu können.

Der Kronprinz von Schweden entschloss sich, um den Schlägen des Kaisers Napoleon auszuweichen, hinter Berlin zurück zu gehen. Bei einer Stabsbesprechung rief er aus: „Was ist Berlin? Eine Stadt.“ Worauf Bülow mit Lebhaftigkeit erwiderte: „Die Hauptstadt Preußens sei einem Preußen etwas mehr als der Kronprinz meine, und er werde von dem Rückzug keinen Gebrauch machen, sondern wolle lieber vor Berlin mit den Waffen in der Hand fallen.“ Bülows Zutrauen aber war tief erschüttert und im Wegreiten soll er unwillig ausgerufen haben: „Den hab ich weg! Der ist nicht der Mann, den wir brauchen! – Mich bekommt er nicht gutwillig dazu,  dass ich über seine Brücke bei Moabit zurückgehe! Unsere Knochen sollen vor Berlin bleichen, nicht rückwärts!“

 

Die Franzosen standen inzwischen nur wenige Kilometer vor Berlin und Oudinot  wollte am 24. August dort einmarschieren. Da griff Bülow am 23. August bei Großbeeren gegen den Willen des Kronprinzen an und besiegte bei strömendem Regen in einem furiosen Kampf die Franzosen. Es war eine kleine Schlacht und beide Seiten hatten nur geringe Verluste, aber Berlin war zum zweiten Male gerettet.

Das 3. Ostpreußische Infanterieregiment Nr. 4 in der Schlacht bei Großbeeren am 23. August 1813

Bülow gab den Beweis, wie viele vor und nach ihm, dass ein preußischer Soldat stets in der Lage war, selbstständig zu handeln und auch bereit, für sein Handeln gerade zu stehen. Mit den heutigen Plattitüden vom Kadavergehorsam ist diese Haltung nicht zu vereinbaren. Bülow war ein Preuße, der ganz im Sinne der Auftragstaktik handelte. Den Auftrag gab er sich auf Grund der Lage selbst, nicht sein Vorgesetzter. Zum blinden Befehlsempfänger war Bülow weder erzogen, noch entsprach es seinem Charakter.

Nach dieser Niederlage übergab Napoleon einem seiner tüchtigsten Marschälle den Oberbefehl über die Berlin Armee, Marschall Michel Ney, Herzog von der Moskwa, dem „Tapferen der Tapfersten“, wie man ihn in Frankreich nannte.

Die Franzosen, nachdem sie sich bis zur Eibe zurückgezogen hatten, griffen erneut an. Es kam am 6. September 1813 bei Jüterbog zur Schlacht, die von dem Dorfe Dennewitz ihren Namen hat und als solche in die Geschichte eingegangen ist. Auch hier lähmten wieder die schwankenden Entschlüsse des Kronprinzen von Schweden die Nordarmee in ihrem Handeln. Aber vereint mit General Tauentzien griff Bülow mit ca. 50.000 Preußen ca. 67.000 Franzosen an. Durch energisches Vorgehen in die Flanke des Gegners wurde die Berlin-Armee nach neunstündigem heftigsten Kampf schließlich geschlagen. Erst nachdem die Entscheidung bereits gefallen war, kamen Russen und Schweden zu Hilfe, um die Verfolgung aufzunehmen. Diese Begegnungsschlacht war auf beiden Seiten sehr verlustreich. Die Preußen hatten ca. 10.000 Mann zu beklagen, die Franzosen dagegen über 22.000 Mann. Allerdings trugen auf französischer Seite die Hauptlast des Kampfes auch hier wieder Sachsen, Württemberger, Bayern und Polen.

 

Bülow bei Dennewitz

Marschall Ney schrieb nach der Schlacht an seinen Kaiser: „Sire, ich bin gänzlich geschlagen und noch weiß ich nicht, ob mein Heer sich wieder gesammelt hat. Ihre Flanke ist entblößt, nehmen Sie sich in acht. Ich glaube es ist Zeit, die Elbe zu verlassen und sich auf die Saale zurückzuziehen.“

Noch schlimmer sein Schreiben an den Kommandanten von Wittenberg: „Ich bin nicht mehr Herr der Truppen, sie versagen mir den Gehorsam und haben sich aufgelöst.“

Durch diesen Sieg rettete Bülow Berlin zum dritten  Mal, auch diesmal handelte er auf eigene Verantwortung. Er wurde als Anerkennung, mit dem in der Geschichte nur sehr selten verliehenen Großkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.

Nun kam es zur bekannten Völkerschlacht bei Leipzig vom -16. bis 18. Oktober 1813. Auch hier war Bülow wieder der Motor der zögernden Nordarmee und drang nach Erstürmung des Grimmaschen Tores als erster mit seinen Truppen in Leipzig ein. Der König von Preußen zeichnete Bülow persönlich mit dem roten Adlerorden aus und der Kaiser von Russland mit dem St. Georgs Orden.

Nach    der   Schlacht   bei   Leipzig   löste   sich   das   lästige Subordinations-Verhältnis zum Kronprinzen von Schweden, und Bülow ward nun in den Stand gesetzt selbstständig zu operieren. Er hatte den Auftrag, die alten preußischen Lande in Westfalen wieder in Besitz zu nehmen und rückte im November in Holland ein. Mit wenigen Ausnahmen befreite er bis Ende Januar 1814 ganz Holland und Belgien von den Franzosen. Er operierte hier selbstständig in schwierigem Gelände mit schwachen Kräften gegen einen starken Feind. Erst durch sein Vordringen in Holland war es den Verbündeten Armeen möglich, den Rhein zu überschreiten, da andernfalls ihre rechte Flanke überaus gefährdet gewesen wäre.

Weiterhin  konnte  durch  Bülows  Vormarsch  in  Holland  der Prinzregent der Niederlande, Wilhelm von Oranien, von London kommend, wieder seinen Thron besteigen. Leider waren die Bemühungen Bülows, die holländische Volksbewaffnung voranzutreiben, vergeblich. Tätigen Anteil haben die Niederländer an der Befreiung ihres Vaterlandes nicht genommen.  Ihr  kaufmännischer Patriotismus beschränkte sich auf einzelne Geldopfer. Und so schreibt denn auch Bülow verbittert: „Die Niederländer brauen zwar einen scharfen Genevre, aber scharf schießen können sie nicht.“

Zum Dank für die zweimalige Befreiung der Niederlande von der Fremdherrschaft  1814 und 1815 erhielt Bülow dann aber vom Hause Oranien,  außer einem Ehrendegen,  eine jährliche Dotation, die bis 1940 an den jeweiligen Majoratsherrn gezahlt wurde. Nach dem letzten Kriege wurde die weitere Zahlung durch die holländische Regierung abgelehnt mit der Begründung: »Die Familie Bülow-Dennewitz hat auf Grund der Vorgänge von 1940 das moralische Recht auf die Fortzahlung  der Dotation verwirkt.“

Bülows Korps wurde nun mit der Armee Blüchers vereint und nach Eroberung einiger Festungen, nahmen seine Truppen,  im Zentrum stehend, wesentliche! Anteil am Siege der Schlacht bei Laon. Sein Gegner war Napoleon.

Zum  Einzug  in  Paris  mit  den  Monarchen  erhält  Bülow den Schwarzen Adlerorden und wird kurz darauf zum General der Infanterie ernannt.  Vom Kaiser von Österreich erhält er das Kreuz des Maria-Theresien-Ordens. Die höchste Auszeichnung des Hauses Habsburg, die nur an Personen verliehen wurde, für besonders mutige, aus eigenem Antrieb unternommene Taten vor dem Feinde, die man auch hätte unterlassen können, ohne seiner Ehre zu schaden. Mit dem König, Blücher und Yorck reist auch Bülow auf Einladung nach London. Dort werden sie von der Bevölkerung begeistert empfangen und Bülow erhält die Ehrendoktorwürde von Oxford. Hier in London erhebt ihn der König von Preußen in den Grafenstand  unter der Verleihung des Namens „Bülow v. Dennewitz“. Als die Truppen in Berlin einrücken, erinnert sich die Stadt etwas spät ihrer Dankesschuld und auch die Universität von Berlin erteilt ihm das Doktordiplom.

 

Nach dem ersten Pariser Frieden zum kommandierenden General von Ost- und Westpreußen ernannt,  richtet er sich häuslich in Königsberg ein. Aber die Landung Napoleons 1815 ruft ihn wieder auf den Plan und erhält das IV. preußische Armeekorps. Mit diesem rückt er wieder durch die Niederlande und Belgien vor und ist noch zu weit entfernt, um die Niederlage Blüchers bei Ligny zu vereiteln. In der Nacht vom 17. zum 18. Juni 1815 erhält er aus Blüchers Hauptquartier in Wavre den entscheidenden Angriffsbefehl, der der Familie erhalten blieb und letztlich zur Entscheidung in der großen Schlacht bei Waterloo oder Belle­Alliance führte.

Nach der Niederlage der Preußen  bei Ligny, wollte Bonaparte den vereinigten Engländern,  Hannoveranern und der deutschen Legion eine Entscheidungsschlacht liefen, um das Schicksal des Kaiserreiches zu seinen Gunsten  zu wenden.  Der Herzog von Wellington mit der vereinigten britischen Armee leistete den französischen Truppen  erbitterten  Widerstand.  Gegen Nachmittag des 18. Juni waren seine Kräfte jedoch restlos erschöpft. Es bedurfte nur noch des Angriffs der bei Plancenoit hinter dem französischen Zentrum  stehenden  Kaisergarde,  um  das  Schicksal Wellingtons und seiner Armee in einem Chaos zu besiegeln. Da griff Bülow mit seinem Korps die kaiserliche Garde, vom großen Korsen völlig unerwartet, im Rücken der französischen Gefechtsaufstellung an. Nach erbitterten Kämpfen – denn die Kaisergarde stirbt,  aber sie ergibt sich nicht -, stürmte Bülow persönlich an der Spitze des Regiments No. 15 das Dorf Plancenoit, und trug somit  wesentlichen Anteil an  der Entscheidung  der Schlacht. Zweifelsohne war das Bülowsche Korps allein in dem gewaltigen Ringen zu schwach,  um den endgültigen Sieg herbeizuführen. Aber er konnte die Zeitspanne bis zum Eintreffen von Blüchers Truppen überbrücken. Denn Blüchers Armee allein, hätte trotz aller  Anstrengungen,  nicht  rechtzeitig eintreffen  können.  So kann man zu Recht behaupten,  dass Bülows Handeln die Entscheidung bei Waterloo wesentlich mitgetragen hat.  Aus englischer Sicht, auch von Seiten Wellingtons, hat man diese Tatsache damals voll gewürdigt. Heute hat man dies inzwischen bewusst vergessen, um durch Geschichtsklitterung den Sieg und damit die Niederringung Napoleons allein den englischen Waffen zuzuschreiben. In einem geschichtslosen Deutschland erhebt sich dabei  auch  kein  Widerspruch.  Aber  lassen wir den  ehemaligen Feind urteilen.  Napoleon soll einmal von Bülow gesagt haben: „Un vrai General!“ Ein Kompliment aus dem Munde dessen, der es am kompetentesten beurteilen konnte.

Bülow wird zum Inhaber des Regiments No. 15 ernannt und als besondere Auszeichnung, zum militärischen Erzieher des preußischen Kronprinzen.  Nach dem zweiten Pariser Frieden kehrt Bülow zu seiner Familie im Januar  1816 heim, in der Hoffnung, nach einem bewegten Leben in ruhiger Tätigkeit im Kreise seiner Familie zu leben. Überall wird ihm Bewunderung, Verehrung und Zuneigung entgegengebracht.

Er ist dabei, sich in seinen Gütern einzurichten. Denn nach dem ersten Pariser Frieden hat er mehrere Güter im Samland in Ostpreußen von König und Staat als Dotation erhalten. Unter anderem Grünhoff, ein ehemaliges Jagdschloss des Großen Kurfürsten als Majorat und den alten Ordensbesitz Neuhausen. Jedoch auf seinem Besitz Neuhausen findet Anfang Februar 1816 eine Jagd statt, bei der er sich eine Erkältung zuzieht. Geschwächt durch ein Leberleiden stirbt er am 25. Februar 1816.

Bülow tot.  – Hinaus in alle Lande fliegt die Schmerzenskunde. Ein  prächtiger  militärischer  Leichenzug geleitet seine irdische Hülle. Auf des Königs Befehl ehrt die ganze preußische Armee den großen Freiheitshelden durch dreitägiges Anlegen eines Trauerflores. Eine Ehre, die bis dahin nur Schwerin und Seydlitz erwiesen worden war.

König Friedrich Wilhelm III. hatte vorgehabt, diesem Feldherrn, der nie eine Schlacht verloren hatte, den Marschallstab zu verleihen. Da erfuhr er, dass Bülow im Sterben lag und ließ ihm unverzüglich das Patent  zugehen. Es sollte ihn nicht mehr unter den Lebenden finden. Da Bülow aber noch gelebt hat, als der König die Verleihungsorder erteilte und unterschrieb, ist er de facto preußischer Feldmarschall.

Es existierten viele Denkmäler  nach seinem Tode.  Das bedeutendste war das von Daniel Christian Rauch im Jahre 1826 errichtete Marmorstandbild,  welches zusammen mit dem von Schamhorst seinen Platz neben der Neuen Wache in Berlin „Unter den Linden“ erhielt. Gegenüber wurden, von gleicher Künstlerhand geschaffen, zwischen Staatsoper und Neuen Palais die Denkmäler: von Blücher, Gneisenau und Yorck aufgestellt.

LKB Dm 33/13 Berlin, Bülow-Denkmal

Herabnahme (Aufnahme 1948)

Nach dem Krieg (1948) wurden alle Denkmäler Unter den Linden abgebaut. In den  60er Jahren  wurden von  der  DDR  vier Denkmäler,  also bis auf das von Bülow im Operngarten unter den Linden, wieder errichtet. Die Illustrierte »Quick« schrieb damals: „Was hat General von Bülow getan, dass er nicht wieder aufs  Podest gehoben wird?“ Seit dieser Zeit herrscht Schweigen um dieses Denkmal und niemand wusste zu sagen, ob es überhaupt noch existiert.

LKB Dm 33/13 Berlin, Bülow-Denkmal Herabnahme (Aufnahme 1948)

Ich sah jedoch eine Verpflichtung darin, der Sache nachzugehen. Meine Schreiben an den Oberbaudirektor  von Ostberlin und den Generalkonservator  der DDR blieben ohne Antwort.  Bis mir schließlich der Leiter der Skulpturensammlung  bei der Stiftung preußischer Kulturbesitz den Hinweis gab: „das Bülow-Denkmal ist magaziniert im Museum für neue Geschichte“. Das heißt zu gut Deutsch, es steht im Keller des Berliner Zeughauses. Als Klaus Bölling ständiger Vertreter der Bundesrepublik in der DDR wurde, schrieb ich an ihn. Ich machte Herrn Bölling mit der allgemeinen Sachlage vertraut und äußerte die Vermutung, dass die DDR eventuell einem Irrtum verfallen ist und unseren General mit seinem Bruder Heinrich Dietrich verwechselt, der ja böse Dinge über das Verhalten der Russen vor 1806 geschrieben hatte. Und siehe da, Staatssekretär  Bölling antwortete wie folgt: „Da von offizieller Seite eine offene Antwort kaum zu erwarten war, haben sich meine Mitarbeiter mit einem kompetenten Mann in Verbindung gesetzt. Das Ergebnis war interessant. Es bestätigt Ihre Vermutung,   dass  die beiden  Bülows  verwechselt worden sind. Man  habe lange Zeit den ‚Falschen verdächtigt‘.  Es sei auch nicht leicht gewesen, v. Bülow-Dennewitz zu rehabilitieren. Das sei jetzt gelungen.

Verantwortliche wollen die ursprüngliche Ausgestaltung im Bereich der Neuen Wache wieder herstellen. Das bedeutet, dass die Denkmale  Bülows  und Scharnhorsts  wieder zu beiden Seiten der Neuen Wache aufgestellt werden.“

Wie aus der „Berliner Zeitung“ (Ost) kürzlich zu ersehen war, wurde das Denkmal im VEB, Denkmalspflege Berlin, bereits restauriert.                                                                                .

Es hat wohl nichts mit Säbelrasseln zu tun, wenn ich meine, auch unsere junge Demokratie bleibt dem gebührenden Andenken Friedrich Wilhelms Graf Bülow v. Dennewitz in seinem Kampf um die Befreiung Mittel- und Osteuropas von der Fremdherrschaft noch einiges schuldig. Bei der Preußenausstellung 1981 in Berlin wird  Bülow mit  keinem Wort  erwähnt.  Kein Wunder, denn über die Ereignisse von 1813-1815 hatte man nicht sehr viel mehr zu bieten als die Tabakspfeife Blüchers. Offensichtlich war die Würdigung soldatischer Tugenden und Leistungen nicht im Sinne der ideologischen Ausrichtung dieser Ausstellung, in der die Bilder von Marx und Engels nicht fehlten.

Ein Volk kann nicht atmen,  wenn es nur Asche auf sein Haupt streut und vor der Schande seiner jüngsten Geschichte im Staube kriecht, sondern es ist an der Zeit, dass es sich an die Größe seiner über  1000-jährigen  Geschichte erinnert.  Nur  diese verleiht ihm Anerkennung  und Respekt bei seinen Partnern.  Materielles Prestige und sozialer Wohlstand sind zwar ein erstrebenswertes und sanftes Ruhekissen, erzeugen aber mehr Neid als Achtung.  Ein Volk, welches sich nicht auf seine eigenen Werte besinnt, wird ein Spielball fremder Lebensart und deren Einflüsse werden, sowohl in politischer, sittlicher und kultureller Hinsicht.

Zur Biographie:

https://ostpreussen.net/2021/03/21/general-graf-buelow-von-dennewitz/