Grünhoff 1992
Ostpreußen im Kreis Fischhausen
Aus dem Familienblatt Nr. 60 1994/1995
Ein Kurzbericht
Im nördlichen Ostpreußen, dem heutigen „Oblast Kaliningrad“, liegt das Gut Grünhoff. Es ist seit dem Jahr 1814 im Besitz unserer Familie und ging im Januar 1945 im Inferno der Schlussphase des Kampfes um Ostpreußen verloren.
Bis vor drei Jahren war dieser Bereich hermetisch für jeglichen Tourismus gesperrt. Durch die „Wende“ unter Gorbatschow erhielten Samländer die Möglichkeit zum Besuch der alten Heimat. So unternahmen wir einen einwöchigen Besuch der heimatlichen Gefilde und konnten, dank unserer russischen Brieffreunde aus Königsberg, eine Woche in Rauschen, Grünhoff, der kurischen Nehrung und Königsberg verbringen.
Im nördlichen Samland sind fast alle großen Gutshäuser und Schlösser willkürlich zerstört worden. Ausnahmen bilden im Samland zwei Schlösser: Schloss Bledau Cranz (heute ein Heim für taubstumme Kinder) und Grünhoff.
Am 23. Juni 1992 sahen wir unser Vaterhaus nach 47 Jahren wieder. Es stand noch im vollen Umfang. Die Haustür fehlte, in den Wohnräumen wurden Kartoffelsäcke gestapelt, einige Wände waren herausgenommen, so dass wir meinten, man habe eine „tragende Wand“ abgetragen.
Die arbeitenden Russen waren sehr freundlich, wir konnten uns mit Hilfe von Dolmetschern unterhalten. Der Saal, einstmals Mittelpunkt des Schlosses, war in ein „Magazin“ (Verkaufsladen) umfunktioniert, aber in baulich erträglichem Zustand. Die russischen Kunden waren zutraulich, obwohl sie wussten, wer wir waren. Man wollte ein Foto mit uns haben und wir erfüllten ihnen den Wunsch. Eine alte Frau fiel mir um den Hals und sagte, „das nächste Mal sind Sie aber bei mir Gast!“
Im Obergeschoß fanden wir eine sehr saubere Sanitätsstation vor. Sie wurde von einer Krankenschwester geleitet. Auch eine Zahnstation und ein und ein sehr sauberes Untersuchungszimmer mit einzelnen Kabinen befand sich im ehemaligen Schlafzimmer meines Vaters. Wir wurden dann von einer jungen russischen Familie zum Kaffee eingeladen. Sie wohnte mit zwei kleinen Kindern in 1,5 Zimmern!
Der Boden, auf dem wir als Kinder viel gespielt hatten, war vollständig leer, die Bausubstanz des Daches wie auch des gesamten Gebäudes war ausgesprochen gut. Das Schloss gehört heute der der „Kolchose Kalinin“.
Schlimm sah es im Park aus. Ein großer Teil der alten Bäume um das Schloss herum waren abgeholzt. Man hatte sie in der ersten Nachkriegszeit verheizt, wie mir ehemalige Einwohner von Grünhoff, welche noch bis 1948 dort ansässig waren, erzählten. Die Wirtschaftsgebäude waren, außer dem Schaf- und Schweinestall, erhalten, aber bis auf den ehemaligen Ackerpferdestall, in dem heute Schweine untergebracht sind, abgerissen, dafür neue Gebäude im Rohbau errichtet, aber nicht vollendet.
Die große Feldsteinmauer, die um einen großen Teil des Parkes lief, existierte nicht mehr, sie ist für Neubauten verwendet worden.
Die Waldungen, welche zu Grünhoff gehörten sind vollständig erhalten, das Familienmausoleum in welchem u.a. der General, unser Ur-Urgroßvater beigesetzt war, existiert nicht mehr. Wir fanden dort Trümmerreste von dem granitenen Sarg, in dem der Sieger von Dennewitz beigesetzt war.
Nach neuesten Nachrichten (Dezember 1993) soll das Schloss, das durch die Initiative unseres russischen Freundes unter Denkmalschutz gestellt wurde, von dem Leiter der Kolchose, einem Usbeken, der sehr deutschfreundlich sein soll, renoviert werden, weil er es selber kaufen will!!!
Seine Bedenken, dorthin allzu viel Geld zu stecken, äußerte er einem Bekannten, der ihn besuchte und im humanitären Bereich tätig ist, dahin, dass er Angst habe, dass … die Familie Bülow Ansprüche auf Grünhoff stellen würde und er dann sein Geld los sei …“
Viele Möglichkeiten würden sich ergeben, wenn die Verhältnisse einigermaßen geordnet wären. Wir, die engere Familie sind jedenfalls bemüht, alles zu tun, um den Erhalt des traditionsreichen Gebäudes zu gewährleisten. In Russland mahlen die Mühlen langsamer als bei uns und das ist unsere Hoffnung.
Manfred Graf Bülow v. Dennewitz (X-587, 1919-2001). Oberwesel-Oedelsheim
