Das Münster in Bad Doberan

Mit Herz & Stimme

Adelsblatt 64. Jahrgang, Nummer 6, 13. Juni 2025, S. 22-24
Die Zisterzienser in Bad Doberan: Gespräch und Besuch des Münsters mit Sabine v. Zanthier. Von Dr. Armgard von Reden
Bad Doberan verdankt seinen Namen und sein Münster einer schönen Le­gende: Weil die heidnischen Wenden das erste Kloster der Zisterzienser zerstört hatten, versprach der Fürst
zu Mecklenburg, dass ein neues an der Stelle ge­baut werden könnte, an der er den ersten Hirsch erlegt. Der arme Hirsch hatte sich in knietiefes sumpfiges Wasser geflüchtet, als ihn der fürst­liche Pfeil ereilte, und die Mönche wollten schon dankend ablehnen, als ein aufgescheuchter Schwan „dobre, dobre“ (,,gut gut“) rief. Gegen diese weltlichen und göttlichen Zeichen hatten
die Mönche keine Chance, trugen zunächst eine halbe Endmoräne ab, damit das Wasser ablaufen konnte, und errichteten 1186 eine romanische Kirche, die schon rund 100 Jahre später ihren Idealen und Ansprüchen nicht mehr zu genügen schien. Mit Grundbesitz, 20 Mühlen und Antei­len am Lüneburger Salzhandel waren die Zister­zienser reich geworden, und so bauten sie eine hochgotische Backsteinkirche, die an Licht, Luft, und Leichtigkeit und mit ihren Kunstschätzen ein Juwel Norddeutschlands ist. Dieses Münster scheint nicht von Grund auf gemauert zu sein, es ist von oben herabgeschwebt. Mit der Harmonie der Proportionen, dem perfekten Kreuzgrad­gewölbe mit seinen eleganten Streben in Blau und Ziegelrot hat man das Gefühl, unter einem großen hellen Himmel zu stehen. Alles in dieser Kirche strebt in die Höhe, und ständig wandert der Blick nach oben.
Wenn man es schafft, den Blick nach unten zu richten, wird er gefangen vom golden strahlen­den Hochaltar aus dem 13. Jahrhundert, dem äl­testen Flügelaltar der Kunstgeschichte, und dem goldenen Sakramentsturm. Auf der Gegenseite steht der doppelseitige Kreuzaltar (um 1370), der den Chor der Mönche und Laien trennt.
Es ist das monumentalste Werk seiner Art und Zeit. Mit einem Triumphkreuz aus großen grünen leuch­tenden Weinblättern, weil ihre Metallschicht mit einer Kupferoxidschicht überzogen wurden.
Glück und Förderer
Dass das Münster heute wieder nahezu im Origi­nalzustand ist, verdanken wir der DDR, die in den 80ern u. a. den Kreuzaltar wieder an seine Ur­sprungsstelle und den Sarkophag von Großherzog Friedrich Franz I. (Gründer des Seebads) aus dem Mittelschiff an die Westseite verlegte. (Frage nach der Verlegung: Wo ist der Herzog hin? Damalige Antwort: ,,Der ist jetzt im Westen.“)
Aber dass heute noch rund 85 Prozent der un­endlich vielen Kunstschätze und bedeutenden Gräber erhalten sind – trotz Reformation und zahlreichen Kriegen -, verdankt das Münster wiederum den Mecklenburger Herzögen. Weil es ihre Grablegungskirche war, wurde zwar das Kloster größtenteils abgetragen, nicht aber die Kirche, und so können wir. auch die älteste Frau­engrabfigur in Zisterzienserklöstern von Marga­rethe von Dänemark (1283) bewundern, ebenso
wie die Von-Bülow-Kapelle, gestiftet vom ersten Abt des Klosters, Vicco v. Bülow.

Die Familie renovierte sie, und installierte eine Tafel für die Gefallenen Bülows. Das Gleiche gilt für eine Tafel für die Gefallenen Oertzens an der gegenüber­liegenden Seite. Aber auch Kurioses enthält die Kirche, so z. B das schlichte Epitaph für einen schlechten Koch In schöner plattdeutscher Klar­heit: 11Hier rauet Peter Klahr, He kaakte seiden gahr. Dahr to ganz unflädig, Gott sy siener Seelen gnädig.“ (,,Hier ruhet Peter Klahr, er kochte sel­ten gar. Dazu ganz schmuddelig, Gott sei seiner Seele gnädig.“)
Epitaph für Peter Klahr, den unbegabten Koch.

Auch der Aufstieg zum Dachgestühl lohnt sehr. Eine enge Wendeltreppe mit 143 Stufen führt zu einer weiteren Ehrfurcht vor dem Können der mittelalterlichen Baumeister. War die Kirche mit rund vier Millionen Steinen, von denen jeder rund acht Kilogramm wog, präzise gemauert worden, so haben die Zimmerleute nur mit Holz­nägeln und Eichenbalken eine bemerkenswerte Dachkonstruktion geschaffen.
Das Filialsystem der Zisterzienser
Aber wie kamen die Zisterzienser eigentlich in diese Gegend? Das erklärt Sabine v. Zanthier. Die pensionierte Juristin hatte lange in Brüssel gearbeitet, u. a. als Leiterin des Büros der EKD und stellvertretende Leiterin der niedersächsi­schen Landesvertretung. Sie erbte ein Haus in Bad Doberan, das ihre Eltern nach der Wende zurückerhalten hatten, organisiert Klaviertage in italienischen Weingütern, studierte Musik­wissenschaften in Rostock und schrieb ihre Masterarbeit über die Gesänge der Zisterzienser in Bad Doberan. ►
Bad Doberan war ein Tochterkloster von Kloster Amelungsborn in Niedersachsen. Ein schönes Bespiel für das Filialsystem (Tochtersystem) der Zisterzienser. Abgestoßen vom Prunk der Benediktiner in Cluny, wollten sie zum einfachen ,,Ora et labora“ zurück und gründeten den Re­formorden der Zisterzienser, benannt nach dem ersten Kloster Citeaux. Als nächste Klöster grün­deten sie Morimond und Clairveaux, und es sind zunächst der englische Mönch Stephen Harding, Abt in Citeaux, und dann der Abt Bernhard von Clairveaux, die den Orden, seine Regeln, auch die Gesängen und seine Ausbreitung maßgeblich beeinflussten. Für jedes neu gegründete Kloster kopierten die Mönche die Bücher, die für die Liturgie erforderlich waren, sodass die Einheit­lichkeit der Liturgie, als Hauptbestandteil des Klosterlebens garantiert wurde. Aber die Klöster waren unabhängig, brauchten keine Abgaben zu zahlen und bestimmten selbst ihren Abt, der im Generalkapitel saß, in dem die Zisterzienser-Äbte jährlich über ihren Orden berieten und beschlos­sen. Ein sehr fortschrittliches und erfolgreiches Filialsystem aus dem 12./13. Jahrhundert.
Weil Demut, Einfachheit, Weltabgeschiedenheit und innere Einkehr wesentliche Elemente der Zisterzienser waren, gründeten sie ihre Klöster zumeist in abgelegen Gegenden. Davon hatte der Norden Deutschlands im 12. Jahrhundert einiges zu bieten, und so läuft die Filiallinie von der Ab­tei Doberan von Morimond nach Altenkamp im Rheinland und Amelungsborn. Die Doberaner Mönche gründeten wiederum die Filialklöster Dargun und Pelplin in Polen.
Und wie sah das Klosterleben in Bad Doberan aus? ,,Die Liturgie war das Wichtigste“, erklärt Sabine v. Zanthier.“ Alle Gebete wurden ge­sungen, wobei sich die Mönche an die Regel des heiligen Benedikt hielten: ,,Siebenmal am Tag singe ich dein Lob.“ Und so sangen sie in den täglichen sieben Stundengebeten die 150 Psalmen jede Woche einmal durch, wobei Herz und Stimme im Einklang sein sollten. Durch zwei musikalische Reformbewegungen entwi­ckelte sich aus dem gregorianischen Choral die spezielle Form des Zisterzienserchorals, mit dem Ziel, auch in der Musik die reine Form zu finden. Die acht Kirchentonarten wurden in Reinheit gesungen, die Lieder auf zehn Töne vereinfacht, die fünf Notenlinien genutzt. Weil das Kloster in der Reformation aufgelöst wurde, forschte Sabine v. Zanthier in der Diözesanbibliothek in Pelplin, wo sie mittelalterliche Handschriften von Gesängen fand. ,,Weil Pelplin ein Tochter­kloster von Doberan war, können wir jetzt mit ziemlicher Sicherheit sagen, was die Mönche in der Abtei Doberan gesungen haben.“ Der Wech­selgesang mit der Antiphon (Vorvers), gesungen vom Kantor im Wechsel mit den Mönchen, war der wesentliche Bestandteil ihrer einstimmigen lateinischen Gesänge.
Und Sabine v. Zanthier beendet das Gespräch mit einem Wunsch: ,,Es wäre sehr schön, wenn dieser Gesang zisterziensischer Tradition lang­fristig in diesem schönen Münster wiederbelebt werden könnte.“ Angeregt von ihr macht dazu der Chor Vox Nostra den Beginn, mit einem Konzert am 19. September 2025 im Münster Bad Doberan.