Die Königsberger Blindenanstalt

aus: Königsberger Express 11/06

Die Königsberger Blindenanstalt – ein Denkmal für den preußischen General

Häufig passiert es, dass Menschen und Lebensräumen abträgliche Urteile zugeordnet werden, die sich später als falsch erweisen und deshalb nicht dauerhaft Bestand haben.

Auch die Bewertung Königsbergs war unterschiedlichen Meinungsbildern unterworfen und diese wurden vielleicht noch nicht endgültig überwunden. Aber es sollte nicht dazu führen, dass die durch Jahrhunderte hinweg geprägte Vorbildlichkeit der Pregelstadt vergessen wird.

Es haben zu Beginn des 19. Jahrhunderts – der napoleonischen Hegemonieepoche in Europa – nicht nur die preußischen Reformen (Verwaltungsänderungen von Königsberg) eine besondere Bedeutung für das Königreich und für Deutschland gewonnen, sondern ebenfalls karitative und soziale Einrichtungen, die zum Wohle der Menschen in Königsberg eingerichtet wurden.

Eine solche Institution zur Hilfe und Unterstützung von benachteiligten Menschen ist die Anstalt gewesen, zu deren Gründung ausgerechnet ein preußischer General den Anstoß gegeben hat, der als militärischer Befehlshaber der Provinz Preußen nebst Litauen seinen Dienstsitz in der Pregelstadt hatte.

Graf Friedrich Wilhelm Bülow von Dennewitz regte kurz vor seinem Tode (gestorben am 25. Februar 1816 in Grünhoff bei Cranz), die Einrichtung einer Anstalt für Kriegsblinde an. Dank seiner Spende von sechstausend Talern und weiteren Geldzuwendungen vermögender Königsberger konnte seine Idee bis 1819 verwirklicht werden.

Auf dem Sackheim, im ehemaligen Holzkämmereigebäude in der Sackheimer Hintergasse stellte Preußens König Friedrich Wilhelm III., dessen besondere Hinwendung zu Königsberg kein Geheimnis war, das notwendige Gebäude zur Verfügung. Mit einer Urkunde vom 18. Oktober 1819, dem sechsten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig gegen Napoleon I., wurde die Gründung der „Graf Bülow von Dennwitz’schen Blindenunterrichtsanstalt“ öffentlich bekannt gemacht.

Zunächst gab es zwanzig Plätze für behinderte Soldaten, die hier unterschiedliche Ausbildungen erhielten. Diese sollten sie befähigen, später in ihren Familien verschiedene Arbeiten zu übernehmen.

Siebzehn Jahre hat diese erste Blindenunterrichtsanstalt bestanden. Nicht ohne Widerspruch wurde sie zum Jahresende 1836 geschlossen, um ab 1. Januar 1837 durch eine Änderungsurkunde des damaligen Oberpräsidenten Heinrich Theodor von Schön in die „Graf Bülow von Dennewitz’sche Blindenunterstützungsanstalt“ umgewandelt zu werden. Entgegen der früher vorgesehenen Ausbildung stand nun die Unterstützung von Blinden im Vordergrund. Mit dieser Zweckumwandlung war der Unterhalt des Sackheimer Grundstücks überflüssig geworden, das nun für 3500 Taler verkauft wurde. Der Erlös konnte mit königlicher Genehmigung dem Anstaltsvermögen hinzugefügt werden.

Die nicht mit dieser Entwicklung einverstandenen pregelstädtischen Bürger haben nur wenige Jahre nach dieser amtsverfügten Umwandlung den so genannten „Preußischen Provinzial-Verband für Blindenunterricht zu Königsberg in Preußen“ gegründet. Dessen Ziel bestand darin, für die damals noch ungeteilte Provinz Preußen erneut eine Blinden Unterrichtsanstalt einzurichten. Aufgabe der Neugründung war es, bildungsfähigen Blinden der Provinz ohne Unterschied von Alter, Geschlecht und Glauben, durch Unterricht wie Unterweisung in Musik und Handarbeit, Möglichkeiten zu vermitteln, durch eigene Tätigkeit teilweise oder ganz für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Nachdem diese Blinden Unterrichtsanstalt mit ihren 18 Freistellen mietweise in einem Hause auf dem Unterhaberberg ein Domizil gefunden hatte und 1858 die Rechtsfähigkeit erlangte. konnte der Verein nun auch ein eigenes Anstaltsgrundstück erwerben. Fünf Jahre später erfolgte der Umzug in die Brandenburger Tor-Straße im Stadtgebiet Alter Garten.

Ebenfalls 1863 gelangte der Vereinsvorstand zur Erkenntnis, neben der Ausbildung auch eine Unterstützungskasse für entlassene Sehunfähige einzurichten, die neben dem Anstaltsbesitz gesondert verwaltet wurde.

Nachdem 1886 die Provinz Preußen in Ost- und Westpreußen geteilt wurde, hat man für Westpreußen 1886 in Königsthal bei Danzig eine eigene Anstalt gegründet. In Königsberg wurde der „preußische Provinzialverein für Blindenunterrichtszwecke“ aufgelöst, nahm jedoch unter neuem Namen als „Ostpreußische Blindenunterrichtsanstalt zu Königsberg in Preußen“ erneut seine Tätigkeit auf.

Mit den Jahren vermehrte sich in diesem Domizil immer mehr die Zahl der Blinden,  die eine Aufnahme in die gemeinnützige Anstalt ersuchten. Dieser ständig wachsende Andrang führte schließlich dazu, dass sich 1905 der Provinzial- Landtag dazu entschloss, zum Anlass der 1906 gefeierten Silberhochzeit des Kaiserpaares, ein Werkstättenhaus unter dem Namen des Herrscherpaares für blinde Männer zu errichten.

Da jedoch in der Brandenburger- Tor-Straße kein Platz für einen Erweiterungsbau zur Verfügung stand, wurde außerhalb der Stadttore in der Luisenallee entsprechender Baugrund gefunden und im Frühjahr 1908 mit der Errichtung der neuen Anstalt begonnen.

Am 18. Oktober 1909, neunzig Jahre nach Erlass der ersten Stiftungsurkunde für die „Graf Bülow von Dennewitz’sche Blindenunterrichtsanstalt“ konnte die vergrößerte Anstalt im Gebiet Mittelhufen eingeweiht werden und für die nachfolgenden Jahrzehnte ihre segensreiche Tätigkeit aufnehmen.

Nach Heimatverlust und mit der Erinnerung an das Vergangene hatte sich noch in den siebziger Jahren der letzte Landeshauptmann von Ostpreußen Helmut von Wedelstädt (1902 geboren in Mülheim/Ruhr) mit vielen ehrenamtlichen Helfern für die in alle Winde verstreuten Zugehörigen dieser vorbildlichen karitativen und sozialen Einrichtung von Ostpreußens Hauptstadt Königsberg eingesetzt. Horst Glaß

 

(aus: Ostpreussen.net) Nachdem in den Freiheitskriegen etliche Soldaten von Blindheit betroffen wurden, gründete man auf Initiative des Grafen von Bülow-Dennewitz 1818 das „Bülow von Dennewitzsche Blindenstift“. Nachdem die meisten betroffenen Veteranen gestorben waren, wandelte man das Stift 1837 in eine Blindenanstalt für junge Blinde um, die hier als Handwerker ausgebildet wurden. Die Anstalt erhielt 1909 in der Luisen-Allee 83 – 105 Auf den Hufen ein neues Gebäude, die Königsberger Blindenanstalt. Dazu gehörten ein Frauen- und ein Männerheim für die Unterbringung von Blinden, eine Schule, großzügige Werkstätten und die Verwaltung. Zeitweise lebten 500 Personen auf dem Gelände. Letzter Leiter der Anstalt bis 1945 war Felix Graßhof (gest. 1989), der nach dem Krieg als Leiter der Blindenanstalt in Soest bis 1966 tätig war.

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