Grünhoff

Aus Familienblatt Nr. 40; November 1963 (Familienummern, Lebensdaten und Illustration 2024 ergänzt sowie 2025 Video über Schloß Grünhoff und Artikel im Königsberger Express September 2013)

Grünhoff in Ostpreußen liegt im Samland, 25 km nordöstlich von Königsberg und 11 km westlich von Bad Cranz entfernt, dicht an der Ostsee.

Der Gesamtbesitz war zur Zeit der Dotation 8000 Morgen groß und setzte sich folgendermaßen zusammen: Landwirtschaftliche Nutzfläche des Hauptgutes 2400 Morgen, 2 Vorwerke zusammen 2600 Morgen, Wald 3000 Morgen.

Die folgenden, landwirtschaftlichen Angaben beziehen sich auf die Zeit zwischen 1910 und 1925:  Der Boden war mittelschwer, es wurden Roggen, Weizen, Hafer, Gerste, Erbsen, Bohnen, Lein, Kartoffeln und Futterrüben angebaut. Besonders Kartoffeln wurden in großen Mengen nach Westdeutschland verladen. Die Herde bestand aus ca.100 Milchkühe mit entsprechendem Nachwuchs, ostpreußische Holländer Herdbuchrasse, ferner ca.100 Mutterschafe und 100 Sauen, deren Nachwuchs als Mastschweine n ach Berlin verkauft wurde.

Fünf z.T. sehr alte Lindenalleen führten zum Haus, an dem ein kleiner Fluss vorbeifloss, der in di e Ostsee mündete. Alle Wagen, die zum Wohnhaus oder auf den danebenliegenden Hof fuhren, mussten eine der zwei Brücken überqueren, die in Verbindung mit dem Fluss ein besonders beliebter Spielplatz der Kinder wohl aller Generationen gewesen sind. Am Ende der Alleen begann sehr bald der Gallwald (Elchwelch) mit sehr schönem gemischtem Baumbestand.

Am Rand des Gallwaldes ging man an vielen Wiesen vorbei zur Ostsee. Wald, Felder und Wiesen waren in einem guten Verhältnis zueinander aufgeteilt. Es wurden hauptsächlich Kartoffeln und Getreide angebaut. Der sogenannte „Große Wald“, der in südlicher Richtung lag und in den Staatsforst überging, wurde mit sein en davorliegenden Fischteichen von einem Oberförster verwaltet. Der Baumbestand des sogenannten „Großen Waldes“ setzte sich hauptsächlich aus Fichte und Esche zusammen, während im Gallwald Esche, Rüster, Erle, Hainbuche und Eiche wuchsen .

lm großen Wald hielten sich 7-15 Elche als Standwild auf. Seit 1915 wurde das Rotwild dort heimisch.  Durch das Anlegen von Wildäckern n ach dem 1. Weltkrieg wurde der gesamte Wald zu einem ausgesprochenen Brunftrevier. Der stärkste Hirsch hatte 170 Nadler Punkte, di e Geweihe wogen ca. 7 Kilo, die Bestandsstärke lag um 30 Stück. Das Rehwild hielt sich hauptsächlich im Gallwald auf, der jagdbare Bock erreichte ein Gewicht von 20, höchstens 28 Kilo. Zu der übrigen Jagd gehörten noch Hasen , Rebhühner, Fasanen und Wildenten.

Das Wohnhaus war ursprünglich als Jagdschloss von dem Potsdamer Baumeister Eltester 1670 bis 1680 unter dem Großen Kurfürsten erbaut worden. In seinen Räumen solle n unter den Nachfolgern des Großen Kurfürsten Tabakskollegien stattgefunden haben. Es war ein zweistöckiges Gebäude, in alten Zeiten mit roten Ziegeln gedeckt.

 

Bei  der Vergrößerung z.Z. Alberts Bülows (X-287, 1811-1887), dem  Sohn des Generals, erhielt es an der Südseite  einen neuen Flügel mit Turm. So wirkte es mit d e m blauen Schieferdach, gelben Hausanstrich  und den weißen Fenstern mitten im Park besonders freundlich und hell. Drei Teiche, z. T. mit Karpfen und Goldfischen besetzt, verschönten den Garten, der mit seinen alten Bäumen  und  vielen Sitzplätzen von ein er Feldsteinmauer umgeben war.  An der Gartenfront betrat man vom  Saal aus eine Terrasse,  von wo an klaren Tagen die Ostsee zu sehen war.

Grünhoff war einstmals Vogtei des Ritterordens vom Deutschen Haus und ging nach der Säkularisierung des Ordens in den Besitz d er preußischen n Krone  über. Es blieb Krongut  unter  den  verschiedenen Königen und wurde 1815 dem General Friedrich-Wilhelm v. Bülow (X-182), 1755-1816, verheiratet mit Pauline v. Auer (1790-1842), dem Ur-Urgroßvater des letzten Besitzers,  als  200  h a  große Dotation für seine Verdienste verliehen, ins besondere für die Bewahrung Berlins vor der Zerstörung durch  die Franzosen in den Schlachten Luckau  (4. 6. 1813), Großbeeren  (23. 8. 1813)  und Dennewitz (6. 9. 1813) . Als der General von Bülow bei Großbeeren von Bernadotte  aufgefordert wurde zurückzugehen,  sagte er empört: „Unsere Knochen  sollen vor Berlin bleichen, nicht rückwärts .“

Diese Handlung gibt – ähnlich wie der Vertrag Yorcks mit den Russen in Tauroggen – ein Beispiel von den freien Entschlüssen und Taten einzelner, die dadurch entscheidend zum Sieg über Napoleon beigetragen haben.

Nach dem Sieg von Waterloo, an dem Bülow ebenfalls maßgebend beteiligt war, und nachdem er die Franzosen aus Belgien vertrieben hatte schenkten ihm die Lütticher Gewehrfabriken eine ursprünglich für Napoleon angefertigte Steinschlossflinte, die sehr reich mit Gold- und Silbereinlagen geschmückt war. (Heute ist es im Pariser Musée de la Chasse et de la Nature ausgestellt.)

Im Schloss befanden sich wertvolle Andenken aus der Zeit der Freiheitskriege, so die silbernen Sporen Napoleons (im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg ausgestellt) auf einem von der Kaiserin Marie-Louise besticktem Kissen, die Napoleon bei der Flucht nach der Schlacht von Waterloo in seinem Wagen zurückließ. Außerdem erhielt Bülow als Beutestück drei Jagdgewehre aus dem Besitz Napoleons von Friedrich-Wilhelm III. und eine Büste des französischen Kaisers aus Sèvre-Porzellan, die Napoleon als römischen Imperator darstellte. Auch ein wertvoller Ehrendegen des Prinzen Wilhelm v. Oranien, des Regenten der Niederlande, wurde in Grünhoff aufbewahrt. Der Prinz verlieh Bülow den Degen, nachdem er im Herbstfeldzug 1813 die drei holländischen Festungen Arnheim, Herzogenbosch und Groningen von den Franzosen befreit hatte. Der holländische Staat setzte in Anerkennung der militärischen Erfolge Bülow seiner Familie eine Rente in holländischen Dukaten aus, die bis zum 2. Weltkrieg gezahlt wurde.

 

Als Lohn für seine militärischen Erfolge wurde Bülow, neben der Dotation Grünhoff, von seinem König mit dem Zunamen „v. Dennewitz“ in den Grafenstand erhoben. Er selbst ist nicht mehr in Grünhoff gewesen, lebte die letzten Jahre in Königsberg und gründete dort die Blindenanstalt, die bis zum Schluss des 2. Weltkrieges seinen Namen trug.

 

Nach dem Tod des Generals wurde Grünhoff verpachtet, blieb es auch unter dessen Sohn Albert (X-287), 1811-1887, der mit seiner Cousine Hedwig v. Auer (1820-1872) verheiratet (1841) war. Zu seiner Zeit wurde das Haus vergrößert. Er lebte jedoch viel in Süddeutschland und widmete sich mehr den Künsten, zeichnete, malte und komponierte.

 

Alberts Sohn Curt (X-288), 1843-1910, übernahm Grünhoff 1871, nachdem er beim 3. Garde-Rgt. den Krieg 1870/71 mitgemacht hatte und bei St. Privat schwer verwundet wurde. Er heiratete 1874 Antonie v. Reichel (1854-1927) aus Terpen im Kreis Mohrungen. Deren hervorragend tüchtiger Vater hatte seine Tochter schon früh mit Arbeiten und Pflichten einer Landfrau vertraut gemacht, so dass sie ihrem Mann beim Aufbau des aus der Pacht genommenen Gutes eine große Hilfe und Stütze war. Es wurden Felder drainiert und Umfangreiche Änderungen und Verbesserungen auf dem Hof vorgenommen. Grünhoff wurde damals unter persönlichen Opfern des Besitzers ein moderner, ertragsreicher Gutsbetrieb. Curt hatte ebenso wie sein Vater viel musische Interessen, denen er sich in seiner freien Zeit mit Vorliebe widmete. Er spielte Violoncello in einem mit Freunden aus Königsberg zusammengestellten Hausquartett, sang zur Freude seiner Gäste, sich selber am Flügel begleitend, und arbeitete viele Jahre an der Neugestaltung der Choralsätze des ostpreußischen Choralbuches.

Curts Sohn Dietrich (X-434), 1886-1957, übernahm den Besitz 1910 und heiratete 1912 (gesch. 1925) Alice v. Kamptz (1889-1977). Dank seiner Passion für Jagd und Natur wurde der schöne 300 Morgen große Wald besonders gepflegt, Hirsche und Elche wurden Standwild, eine eigene Karpfenzucht angelegt, auf dem Hof Ställe modernisiert und im Dorf Deputat Wohnungen gebaut.

1928 musste Grünhoff erneut verpachtet werden. Dietrichs Sohn Friedrich-Wilhelm (X-573), der 1913 (-2012) geboren wurde und mit Elisabeth Kleinschmidt (1914-2009 )verheirate (1937) ist, übernahm 1940 wieder den Betrieb. Im Januar 1945 verließ die Familie ihre Heimat und floh in den Westen.

Man hört seitdem nichts mehr von Grünhoff, weil das Samland zur sowjetisch besetzten Zone gehört und Grünhoff durch die Nähe der Ostsee in einem besonders abgesicherten Grenzgebiet liegt.

Sigrid v. Reden (1915-2015 ), geb. Gräfin Bülow v. Dennewitz (X-458 T), Seeheim